Opfer des Kesseltreibens
„Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht.“ Jeder der Karl-Theodor zu Guttenberg in den vergangenen Tagen persönlich erlebte, spürte die enorme Belastung, der er durch das Kesseltreiben der veröffentlichten Meinung ausgesetzt war. Er hatte seine Fehler öffentlich eingestanden, öffentlich bereut und sich entschuldigt. Doch der Meute genügte das nicht. Sie hetzte ihn weiter. Jetzt hat er die Konsequenzen aus den Ereignissen gezogen und ist von seinem Amt zurückgetreten.
Was bleibt ist tiefe Betroffenheit. Hier geht nicht irgendein Politiker, sondern einer, der die Hoffnungen vieler auf sich zog. Es bleibt Zorn über den Jubel der Hetzer – aber auch eine Erkenntnis.
In der deutschen Politik und Publizistik wird mit zweierlei Maß gemessen. Jemand wie Karl-Theodor zu Guttenberg wird wegen eines Sündenfalls, der letztlich nur ihm selbst geschadet hat, in die tiefste mediale Verdammnis gestürzt, während andere Bundestagsabgeordnete, die in der Wendezeit SED-Vermögen umrubelten, deren Verstrickungen in das Stasi-System oder deren Verhältnis zum Links-Terror des so genannten deutschen Herbstes nie wirklich geklärt wurde, heute ungestraft und unwidersprochen mit dem Brustton der moralischen Empörung über Anstand in der Politik sprechen dürfen.
Man kann vor diesem Hintergrund trefflich darüber diskutieren, was schwerer wiegt und/oder was wirklich ein „Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie“ ist – so die aktuelle Vorlage von Bundestagspräsident Lammert für das Kesseltreiben gegen zu Guttenberg. Der CDU-Mann hat der Res Publica – der öffentlichen Sache – damit nicht genutzt, sondern in den Augen vieler Bürger einen Beitrag zur Politikverdrossenheit geleistet.