Appell an die Angst und Opferrolle
„Wir bestimmen selbst, wer zu uns kommt!“ so lautet die Schlagzeile einer AfD-Broschüre, die mir dieser Tage in den Briefkasten flatterte. Irgendwie erinnerte mich die markige Aussage an einen Satz, den ich einmal aus einer launigen Stammtischrunde einer Wirtschaft im Bayerischen Wald aufschnappte – mit dabei der Mohammed von der Sparkasse genannt „der Mo“ und der „Hochwürden“, ein Pfarrer, der aus Afrika stammt. Bei Bier und Brotzeit diskutierten die Stammtischbrüder über Gott und die Weltlage und platzierten dabei, wie es bei „Woidlern“ üblich ist, ebenso ironische und hintersinnige wie nicht ernst gemeinte Sprüche in die Runde. Gerade so, als wolle man alle Klischees bedienen, die am „Woid“ und seinen Bewohnern kleben. „Mir ham nix gega Fremde, mir nehma an jeden, der uns passt.“ – Gelächter!
Im Gegensatz dazu gibt es bei der AfD nichts zu lachen. Die meinen es ernst! Mit einem Mix aus Halbwahrheiten versuchen die Rechtspopulisten noch immer Kapital aus der Xenophobie und den sie begleitenden Ängsten zu schlagen. Dabei hat sich die Wirklichkeit seit 2015 erheblich verändert. Der Flüchtlings-„Strom“ ist längst zu einem – Flüsschen geworden. Die von Horst Seehofer heftig eingeforderte Obergrenze wird deutlich unterschritten. Nur die Zeitung mit den ganz großen Buchstaben befeuert weiter die Ängste, indem sie jedem straffälligen Asylbewerber dicke Schlagzeilen widmet. Über 60 Prozent der Migration nach Deutschland stammt jetzt aus den europäischen Staaten. Die Menschen kommen nach Deutschland, um hier zu studieren oder zu arbeiten. Normalität und Fachkräftemangel lassen grüßen.
Nüchtern betrachtet, müsste man zu dem Schluss kommen, dass die Zeit der Fremdenangst vorbei ist und die Rechtspopulisten sich verhalten wie die Apachen. Denen wird nachgesagt, dass sie auch tote Pferde reiten. Für die Politik der AfD gilt aber offensichtlich die Lehre aus dem philosophischen Fach Logik, das mit „Appell an die Angst“ überschrieben ist. Demnach hat man leichtes Spiel, wenn man den Menschen Angst macht. Es ist bekanntlich eine der leichteren Übungen einem Mann, der sich im dunklen Keller fürchtet weiszumachen, dass er mit dem nächsten Schritt in einem noch viel dunkleren Teil des Kellers stehen wird.
Ein ähnlich simples Strickmuster legen die Rechtspopulisten an den Tag, wenn sie bei irgendeiner politischen Entgleisung, einem fragwürdigen Verhalten und/oder bei illegalen Praktiken erwischt werden. So wie jetzt bei der „b’soffenen G’schicht“ des österreichischen EX-Vize-Kanzlers Strache. Ein „politisches Attentat“ sei es gewesen. Das Ergebnis einer illegalen Abhöraktion. Deutschlands Europa-Spitzen-AfD-Kandidat Meuthen beeilt sich hinzuzufügen, das sei ein „singuläres“ Ereignis, das man nicht überbewerten dürfe.
Nur, die AfD-Welt ist voller singulärer Ereignisse. Da wird die Hetze einer bekannten Spitzenvertreterin gegen Flüchtlinge zum Unfall mit der Computermaus erklärt, das Absingen der falschen Strophen des Deutschlandliedes als technischer Fehler entschuldigt, das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ diffamiert, die Nazidiktatur als „Vogelschiss“ in der Geschichte verharmlost und rassistische Sprüche gegen Fußballspieler mit dunkler Hautfarbe, die man nicht als Nachbarn haben wolle, ohne auch nur ein Anzeichen von Reue stehen gelassen. Selbst die offensichtlich fragwürdigen Spendenpraktiken werden mit einem Achselzucken und den Hinweis drauf, dass andere „ja viel mehr Dreck am Stecken“ haben, weggelächelt. Die Liste ließe sich fortsetzen. Allerdings ergeben viele „singuläre“ Ereignisse auch eine Summe!
Kritik an diesen hetzerischen Ausfällen sind nur ein Beweis für die Lieblingsrolle der AfD-Politiker – die des Opfers. Darin suhlen sich die Rechtspopulisten gerne. Schuld sind immer die anderen – Verschwörungen, die „Lügenpresse“ und/ oder die „Altparteien“ (Nebenbei: Schon Adolf Hitler benutzte diesen Begriff im Kampf gegen die Weimarer Republik!). Opferrolle und Angstmacherei ergeben offensichtlich ein kuscheliges Klima für eine Welt, in der sich die Frustrierten und ewig Zukurzgekommenen wohl fühlen können.
Übrigens: Das Ibiza-Video mit dem FPÖ-Politiker Strache in der Hauptrolle enthüllt ein spannendes Detail bei der Finanzierung der Rechtspopulisten. Sein Vorschlag, die Spenden an staatlicher Kontrolle vorbei an einen Verein fließen zu lassen, klingt merkwürdig vertraut. Beteuert AfD-Spitzenmann Meuthen nicht immer, dass es sich bei der Wahlkampfhilfe aus dem Ausland, in die ebenfalls ein Verein involviert ist, um keine Spenden im rechtlichen Sinn handelt, sondern um eine Art ohne Absprache aufgedrängte Hilfe? Sollte es sich beim Finanzierungsmodell via Verein um ein bei Rechtspopulisten übliches Modell für einen unkontrollierbaren Finanzfluss handeln? Die Frage ist einer näheren Untersuchung würdig.