Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem dies kroch

Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem dies kroch

„Die Völker wurden seiner Herr, jedoch, dass keiner uns da triumphiert! Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem dies kroch.“ Die jüngsten Bilder und Meldungen aus Sachsen erinnern mich an die Schlusssätze aus Bert Brechts Parabel über Hitlers Aufstieg und Machtergreifung „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“.

Es wäre sicherlich mehr als eine Überlegung wert, Brechts Bühnenstück wieder auf den Spielplan der Bühnen zu setzen. 73 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft hat es an Aktualität gewonnen. Die Fernsehbilder aus Chemnitz zeichnen ein erschreckendes Bild. So genannte „brave Bürger“ marschieren neben eindeutig als Neonazis identifizierbaren Gewalttätern – vereint im Hass auf Fremde. Die erschrockene deutsche Öffentlichkeit diskutiert darüber, wie diese Explosion von Hass und Gewalt entstehen konnte und warum es ausgerechnet in Sachsen möglich war, das mit seinen erfolgreichen Unternehmensansiedlungen eigentlich ein Musterland für die „blühenden Landschaften“ ist.

Haben die Sachsen generell eine Neigung zu rechtsextremen Ideen? Haben 40 Jahre „real existierender Sozialismus“ dort den Boden derart verseucht, dass demokratische Gesinnung, Toleranz und Liberalität nicht gedeihen wollen – selbst 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR? Egal welche Fragen man stellt und welche Antworten darauf gegeben werden. Allmählich müßte jenen Politikern langsam dämmern, dass es eine ebenso sinn- wie fruchtlose Aktiom war,nach der Bundestagswahl im vergangenen Herbst darauf zu drängen die “rechte Flanke zu schließen“. Die Hoffnung, man werde damit Wähler von der AfD zurückgewinnen, ist mehr als trügerisch.

Die These, die AfD lasse sich entzaubern, ist relativiert. Keine der letzten Meinungsumfragen zur politischen Stimmung zeigt eine nennenswerte Veränderung. Egal ob Gauland die Nazizeit marginalisiert, ein Jungfunktionär den Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg beschimpft, leibhaftige AfD-Bundestagsabgeordnete dem rechtsextremen Mob mit dem Begriff der Selbstjustiz den Anschein von Legitimität verleihen wollen oder andere damit drohen, dass der Volkszorn Redaktionen und Funkhäuser stürmen und die Journalisten auf die Straße zerren wird, Anhänger und Wähler stehen in Treue fest zur Rechtsaußenpartei.

Eine Studie der Universität Leipzig kommt zu dem Schluß, dass sich die AfD im deutschen Parteiensystem festsetzen wird. Ihre politische Kraft werde von der Unmöglichkeit, kulturelle Konflikte mit Kompromissen zu lösen, gespeist. Leipziger Wissenschaftler bescheinigen den AfD-Anhängern, dass sie bei fünf von sechs Dimensionen der rechtsextremen Gesinnung (Befürwortung rechtsautoritärer Diktatur, Chauvinismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Sozialdarwinismus, Verharmlosung des Nationalsozialismus) nur mit geringem Abstand hinter den Unterstützern der NPD rangieren. Es liegt daher auf der Hand, dass jeder Versuch, mit AfD-light-Positionen zu punkten, scheitern wird. Die Zeit für eine entschlossene Antwort der Demokraten ist reif.

2 Gedanken zu „Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem dies kroch

  1. Danke für den Beitrag. Eine Frage hätte ich noch: Wie können wir denn die politische Diskussion wieder „einfangen“? Ich habe mit Entsetzen die Kommentare unter dem Facebook-Post von Angela Merkel zum Tod von John McCain gelesen. ( http://goo.gl/36WHFz ). Eine derart widerwärtige Ansammlung von hasserfüllten, beleidigenden, rassistischen und hetzenden Beiträgen ist eigentlich nicht vorstellbar. Das fast kein Kommentar sich inhaltlich auf den Text der Kanzlerin bezog, war fast schon zu erwarten.

  2. Ich habe mich lange gefragt, wie es sein kann, dass die CSU dem Aufkommen eines derartigen politischen Rivalen so überrascht, hilf- und tatenlos zusehen kann. Spätestes nach der Bundestagswahl 2017, mit 19% AfD im WK Straubing als extremstes Beispiel, war klar, dass es keinen wie auch immer gearteten geheimen Plan gab. Der Zug ist nun Abgefahren, diese verlorenen Wähler wieder einzufangen, die AfD hat sich zu sehr schon etablieren können.
    Die CSU hat schlicht und einfach ihre Mitte und ihren Fokus verloren, und, was noch schlimmer ist, den Kontakt zu ihrer Basis. Exakter müsste man sagen: Teile des Personals leben und denken völlig abgehoben und ganz weit weg von ihrer Wählerschaft.
    Deshalb geht Ihre Kritik hier auch völlig am Punkt vorbei. Wenn die CSU nicht wahrhaben will, wo ihre Wähler und ihre Parteibasis der Schuh drückt, und was diese als zu lösende Probleme sehen, dann machen sie halt in einem wachsenden Maße ihr Kreuz woanders. Die Schreckgespenster, die Sie im obigen Beitrag noch zu bemühen versuchen, nutzen sich dabei immer stärker ab. Das fatale ist, dass es, speziell in Bayern, nicht so hätte kommen müssen, jetzt ist es zu spät. Auch diese Entwicklung wird man später mal als eine der Folgen der Merkelisierung abhaken.

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