Griechische Geisterrentner
Griechenland verdanken wir nicht nur die Errungenschaften der Antike. Jetzt bereichern die Hellenen unseren Wortschatz mit dem schönen Begriff des Geisterrentners. Erstmals machte das Phänomen im Frühsommer dieses Jahres die Runde. Damals entdeckte die griechische Rentenversicherung eine auffällig hohe Quote von Rentnern, die das stolze Alter von hundert und mehr Jahren erreicht hatten. Einer der Methusaleme hatte es gar auf 130 Jahre gebracht, ohne dass die Rentenversicherung jemals schüchtern nachgefragt hätte, wie es dem rüstigen Greis denn so geht.
Rein theoretisch kann das am Olivenöl und dem gesunden Klima auf dem Peloponnes samt Sporaden und Kykladen liegen. Beim näheren Hinsehen stellte sich aber heraus, dass die gemeldete und kassierende Oldtimerdichte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Über dreihundert Hochbetagte mussten per Totenschein abgemeldet werden. Die Betrugsverfahren gegen die Angehörigen, die Opas Rente als willkommenes Zubrot verbuchten, laufen. Das Ganze war dem griechischen Arbeitsminister ausgesprochen peinlich. Jetzt muss der gute Mann erkennen, dass diese dreisten Fälle keine Einzelfälle waren. Eine Generalüberprüfung brachte ans Licht, dass gierige Erben die Rentenkassen offensichtlich systematisch ausplünderten. Die landwirtschaftliche Rentenkasse strich mehr als 8.000 ihrer Leistungsbezieher wegen Ablebens von der Auszahlliste. Von den mehr als eine Million Rentnern der griechischen IKA-Versicherung meldeten sich trotz Aufforderung fast 110.000 Geisterrentner nicht bei ihrer Bank. Jetzt wird allen, die nicht zur Registrierung kamen, der Geldhahn zugedreht. Sollten sie ihren ständigen Wohnsitz zu ihren Ahnen verlegt haben, wäre allein diese Rentenversicherung jährlich um über 1,5 Milliarden Euro betrogen worden. Der Sozialminister lässt jetzt alle Rentenkassen des Landes prüfen. Im seinem Innersten wird er wohl dem Metropoliten der orthodoxen Kirche zustimmen, der die aktuelle Schuldenkrise Griechenlands jüngst „eine moralische, keine materielle“ Krise nannte. Im Gegensatz zu Athens Politikern verfügt der Patriarch offensichtlich doch über einen kurzen Draht in den Himmel. Er hatte diese Erkenntnis jedenfalls vor der griechischen Regierung.