Nachtrag zu Rezo und seinem „Zerstörung“-Video
Zu meinem letzten Beitrag bin ich allen Leserinnen und Lesern noch einen kleinen Nachtrag schuldig. Hans-Georg Hauser, ein Freund aus gemeinsamen Staatssekretärstagen in Bonn, hat mich auf das Video eines jungen Youtubers aufmerksam gemacht, der unter dem Pseudonym Actuarium im Internet auftritt. Er zeigt darin, wie leicht es ist, einen kleinen Fakten-Check bei Youtube-Videos vorzunehmen.
Als jemand der sich zur großen Zahl der „Mäuseschubser“ zählt, die über Computer nur eingeschränkte Detailkenntnisse besitzen und im großen Informationsmeer des Internets allenfalls als Binnenschiffer gelten, war das erstaunlich und lehrreich. Mit wenigen Mausklicks führte Actuarium vor, wie man bei Youtube-Beiträgen an Informationen über die Absender herankommt. Siehe da: Der von den Medien so gehypte (früher hätte man wohl „groß herausgebrachte“ oder „hochgejubelte“ gesagt) Vertreter der Jugend Rezo, entpuppt sich als Netzwerk-Mitarbeiter eines der ganz großen deutschen Werbe- und PR-Unternehmen. Sein Video läuft auf einem Kanal der Firma „tubeone“ der Ströer Content Group aus Köln. Dahinter verbirgt sich eine Agentur der Ströer Gruppe, die sich auf „Social Media“-Kampagnen spezialisiert hat.
Das wirft Fragen auf. Könnte es sein, dass der Youtube-Star in seinem 55 minütigen „Zerstörungs-Video“ gar nicht auf eigene Faust gehandelt hat, weil er vernetzter Mitarbeiter einer kommerziell arbeitenden Firma ist? War das Solidaritätsvideo, in dem ihm kurz vor der Europawahl 80 andere Youtuber zur Seite sprangen, keine spontane Aktion, sondern der Probelauf einer konzertierten Aktion im Internet, mit der die Firma potenziellen Kunden ihre Kampagnenfähigkeit demonstrieren wollte? Oder handelte es sich um eine Auftragsarbeit?
Leider haben sich offenbar nur wenige Medienschaffende die Mühe gemacht, nachzufragen, wer Rezo ist und woher der junge Youtuber kam. Das festzustellen wäre aber mit zwei, drei Klicks im Sinne einer seriösen Recherchearbeit möglich gewesen. In der Zeit von Social Media und Fake-News müssen Journalisten besonders sorgfältig arbeiten. In den Journalistenschulen bekommt der Publizistennachwuchs deshalb das Mantra „Fakten checken, Fakten checken“ mit auf den Weg. Das ist die Basis guten Journalismus.
Die Medien verstehen sich neben der Legislative, der Exekutive und der Judikative als Vierte Gewalt in unserem Staat; – als Immunsystem der Demokratie. Dank der Pressefreiheit gibt es die Macht der Medien, die schon so manchen Skandal öffentlich machte. Missstände wurden abgeschafft. Täter ohne Ansehen der Person bestraft. Das Internet sei nun die Fünfte Gewalt, hieß es vor dem Hintergrund der Debatte um das „Zerstörungsvideo“ aus prominentem Kommentatorenmund. Deshalb sei der Vorstoß der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, mit dem sie eine Debatte über die Macht des Internets, ihren Missbrauch und mögliche Schranken forderte, ein empörender Anschlag auf die Meinungsfreiheit.
Im Licht der Fakten betrachtet erscheint AKKs gedanklicher Anstoß aber geradezu nötig. Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen agieren hierzulande nicht im rechtsfreien Raum. Wer in Deutschland Meinung veröffentlichen und machen will, unterliegt Pressegesetzen. Presserat, Rundfunk- und Medienräte aus allen Bereichen unserer Gesellschaft kontrollieren die Inhalte. Wenn das Internet eine Fünfte Gewalt in unserem demokratischen System sein soll, müsste die Frage, ob es sich dabei nicht doch um ein Medium im engeren Sinn handelt, noch einmal neu überdacht werden. Zumindest müsste dann eine Art Vermummungsverbot für Netzaktivisten gelten, damit die Konsumenten ihrer Botschaften Klarheit über die Absender haben.
2 Gedanken zu „Nachtrag zu Rezo und seinem „Zerstörung“-Video“
Hallo Peter, exzellent. Ich würde noch ergänzen dass sich die Parteien nicht auf die Presse verlassen können, um die geforderte seriöse Recherche zu leisten. Die Parteien tuen gut daran, selbst solche Recherche rasch leisten zu können um effektive Antworten geben zu können. Helmut
Lieber Peter,
seit Jahren predige ich bei jedem Vortrag und jeder Podiumsdiskussion, an der ich beteiligt bin, dass durch die neuen Medien einst eherne Gesetze des Journalismus ausgehebelt werden. Als wir beide Journalisten wurden, landeten anonyme Zuschriften im Papierkorb. Dort wo sie hingehören. Heute kann jede gequälte Seele ihre maßgebliche Meinung im Schutz der Anonymität als Kommentar veröffentlichen – und auch die Printmedien pflegen auf ihren Online-Seiten diese Pervertierung der einst guten Sitten. Politische Kultur ist offenbar nicht mehr gefragt in einer scheinbar grenzenlos offenen Welt!