Sehen Sieger so aus?
Als „Wahlsieger“ adressierte Günther Jauch den (noch immer) Regiernden Bürgermeister Berlins in seiner gestrigen Sendung mit einer beachtlichen Penetranz. Die Einschätzung über Wowereits Abschneiden bei der Wahl dürfte der prominente Moderator ziemlich exklusiv haben. Bei einem Stimmergebnis von nicht einmal 29 Prozent und der Tatsache, dass Wowi als Stimmkreiskandidat glatt durchfiel und auch nicht über die Bezirksliste ins Abgeordnetenhaus einzieht, hätte die Frage, ob Sieger so aussehen, weitaus näher gelegen.
Betrachtet man die Performance ( – 4 %) von Wowereits Rot-Rotem Regierungsbündnis müsste die Schlagzeile eigentlich lauten: Rot-Rot abgewählt! Es ist erstaunlich, wie es dem „Sonnenkönig“ und „Partydauergänger“ gelingt, auch diese Niederlage wegzulächeln und zum Sieg umzudeklarieren. Allerdings muss man Wowereit zugute halten, dass nicht nur er die Siegerhetorik auf bescheidene Ergebnisse anwendet. Auch auf der Wahlparty der CDU wurde über den Achtungserfolg von knapp zwei Prozent Stimmenzuwachs gejubelt, als habe man dem linken Spuk in der Hautstadt den Garaus gemacht. Die Stimmengewinne für die Berliner CDU-Freunde sind schön und angesichts der schwierigen Situation besonders im alten Osten Berlins erfreulich, aber 23,2 Prozent darf nicht der Anspruch einer modernen Großstadtpartei sein, die darüber hinaus auch Volkspartei sein will.
Das (Wahl-)Signal des Wahltages ist aber das Abschneiden der Piraten-Partei. Trotz der unfreiwillig komischen Auftritte des Spitzen-Piraten, der nicht wusste, wie hoch die Schuldenlast Berlins ist (63 Milliarden Euro!) und meinte, sie werde wohl ein paar Millionen betragen und eines teilweise konfusen Programms hat diese bunte, linke Gruppierung kräftig abgeräumt. 80 Prozent ihrer Wähler sind Protestwähler. Das haben die Wahlforscher ermittelt. In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, ob aus ihnen eine politische Eintagsfliege oder eine Dauereinrichtung in der deutschen Parteienlandschaft wird.