Verbale Abrüstung oder wenn Krokodile weinen
Bei meiner morgendlichen von einem Espresso begleiteten Lektüre hatte ich heute ein Aha-Erlebnis der besonderen Art. SPIEGEL ONLINE – DIE LAGE macht sich Sorgen um Horst Seehofer. Normaler Weise verkrafte ich es nicht, wenn Krokodile weinen, aber diesmal überwog meine Neugier. Was treibt die Kollegen um und wie begründen sie ihre Sorge?
Sie fürchten, dass angesichts der verbalen Abrüstung bei der CSU, die gelobte, Begriffe wie „Asyltourist“ oder „Anti-Abschiebe-Industrie“ nicht mehr verwenden zu wollen, die Deftigkeit der Bierzeltreden leiden werde. So heute, wenn Horst Seehofer im oberbayerischen Töging auftritt. Wird er am Ende die Zuhörer mit Political Correctness langweilen? Das sind echte Verlustängste!
Verlustängste der realen Art formulierte Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Er warnte bei BILD vor den volkswirtschaftlichen Verlusten durch die Abschiebung von Migranten, die bei uns eine Berufsausbildung gemacht haben. Das sei „wirtschaftlicher Unsinn“ kritisierte der Wirtschaftsexperte. Und nahm damit auch die Klage vieler handwerklicher Ausbildungsbetriebe auf, die genau dieses erleben. Hüther warnte davor, dass die Beispiele aus letzter Zeit die Bereitschaft vieler Handwerker zerstöre ,Flüchtlinge auszubilden und so einen Beitrag zur Integration zu leisten.
Hüther ist der nächste prominente Kritiker der Abschiebungs- und Zurückweisungsfixiertheit der Seehoferschen Politiklinie. Ich bin gespannt, wie der CSU-Vorsitzende Hühter kontert. Als Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, ohne Seehofer namentlich zu nennen die Wortwahl in der Debatte über die Flüchtlingspolitik kritisierte, verbat sich der Wortführer der CSU diese Form der „Sprachpolizei“. Und Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hallte eine trotzige Replik entgegen, als er die CSU wegen ihres eingeschlagenen Rechtskurses kritisierte. Seine Haltung, so Seehofer entspräche der „christlichen Verantwortungsethik“.
Allerdings gibt es schlicht keine „christliche“ Verantwortungsethik im politischen Sinn. Diesen Begriff führte Max Weber in die sozialethische Grundsatzdebatte ein. Ein „Verantwortungsethiker“ ist demnach ein Politiker, der die Gesamtheit der Folgen seines Handelns bedenkt und die Folgen bewertet. Das bildet den Maßstab für seine Entscheidung. Das kann letztlich auch die Entscheidung für das kleinere von zwei oder mehreren Übeln sein.
Christliche „Verantwortungsethik“ entspringt dagegen dem zentralen Begriff der Nächstenliebe. Die Frage, wer denn der Nächste sei, hatte Jesus selbst beantwortet. Der Nächste ist der, der unter die Räuber gefallen ist. Das Lukas Evangelium (10, 25-37) weist die Interessierten verlässlich ein.
Ein Gedanke zu „Verbale Abrüstung oder wenn Krokodile weinen“
Hallo Peter,
mit Freude habe ich Dich gerade im Interview in der B2 Radiowelt gehört. „Der Sündenbock ist kein Herdentier“ sagt soviel aus und beschreibt die Probleme unserer Partei so treffend. Ich bin ja gespannt, wer nach der Landtagswahl diese Rolle übernehmen darf…