„Was erlaube Özil“
Was erlaube Özil? Die Abwandlung der kultigen Trapattoni-Frage passt gut zum lauten Knall mit dem Mesut Özil die Tür zur Nationalmannschaft hinter sich zuschlug. Seinen Ärger über den Versuch, ihm die Schuld am bescheidenen Abschneiden unseres Nationalteams bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland anzulasten, ist verständlich. Hatte Teammanager Bierhoff ihn in aller Öffentlichkeit als einzigen Spieler namentlich kritisiert. Der Junge aus Gelsenkirchen ist zurecht verärgert. Er war nicht der einzige Kicker der gespielt hat „wie Flasche leer“, um eine weitere Anleihe bei Traps Kult-Rede an seine Bayern zu nehmen. Fußball ist und bleibt ein Mannschaftssport. Die Spieler gewinnen und verlieren zusammen. Doch Özil musste erfahren, dass der Sündenbock kein Herdentier und schon gar kein Mannschaftsspieler ist. Bierhoffs Bemühungen seine Kritik zu relativieren kamen zu spät und änderten nichts am entstandenen negativen Eindruck.
Der Teammanager hat in der ganzen Aufgeregtheit über das umstrittene Bild Özils mit dem türkischen Präsidenten Erdogan keine gute Figur gemacht. Der DFB hat auch zu wenig getan, um seinen Mittelfeldspieler vor den dämlichen Pfeiffkonzerten so genannter Fans zu schützen, die Özils Aktionen in den Vorbereitungsspielen wegen des Erdogan-Fotos begleiteten. Nur kann und muss man den jungen Fußballer trotzdem kritisieren können, ohne von ihm des Rassismus bezichtigt zu werden. Vielleicht hätte er einmal versuchen sollen mit Cem Özdemir oder Deniz Yücel zu sprechen, die ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit dem Alleinherrscher vom Bosporus und seinen Umgang mit den Menschenrechten gemacht haben. Beide haben einen ähnliche Sozialisierung wie der Fußballer. Jedenfalls zeugen Özils Ausführungen über den „Respekt“ für den türkischen Präsidenten milde gesagt von einem hohen Maß politischer Naivität.
Ob ihn die aufgeregte Reaktion in der deutschen Öffentlichkeit derart irritierte, dass er bei der WM wenig von seinem Spielwitz zeigen konnte, sei dahin gestellt. Das zu ergründen wäre Aufgabe des Trainers gewesen. Aber wie sagt der Alltagsphilosoph? „Hätte, hätte Fahrradkette!“ Jetzt müssen alle Beteiligten die Scherben der Causa Özil zusammenfegen. Nur reicht der Fall nicht, um die Integrationsfähigkeit Deutschlands in Frage zu stellen. Vor schnellen Erfolgen bei der Integration sei allerdings gewarnt. Unsere Geschichte zeigt, dass es bereits früher die Integration von größeren Zuwanderergruppen gab. Ihre Integration war keine Fragen von Monaten oder Jahren sind, sondern eine Frage mehrerer Generationen.
Meine Großeltern lebten im Ruhrgebiet. Ich erinnere mich an die Familie, die im Stockwerk über meiner Oma wohnte. In den Ferien spielten wir Kinder miteinander auf dem Hof hinter dem Haus. Immer wenn meine Spielkameraden von deren Großmutter ins Haus gerufen wurden, hörte ich polnische Worte. Denn Oma Wafschiniak sprach besser polnisch als deutsch. Sie waren Nachfahren der so genannten „Ruhrpolen“, die Ende des 19.Jahrhunderts in die Industrieregion einwanderten. Sie hatten ihre Sprache und ihre katholisch geprägte Kultur in das überwiegend protestantische Gebiet zwischen Rhein und Ruhr mitgebracht. Auch sie wurden mit den Problemen konfrontiert, wie heute junge Menschen, deren Eltern oder Großeltern aus der Türkei zu uns gekommen sind. Auch für sie spielte der Fußball eine große Rolle. Schalke 04 galt lange als „Polenclub“ und der Begriff war keineswegs freundlich gemeint. Als die Schalker 1934, ein Jahr nach Hitlers Machtergreifung zum ersten Mal Deutsche Meister wurden, „badete“ ganz Gelsenkirchen -übrigens Özils Geburtsort – in einem königsblauen Fahnenmeer, erzählte meine Oma. Und die polnische Sportzeitung Prezglad Sportowy titelte „Die deutsche Meisterschaft in den Händen von Polen. Triumph der Spieler von Schalke 04, der Mannschaft unserer Landsleute.“ Das war mehr als eine Generation nach der Einwanderung polnischer Arbeiter ins Ruhrgebiet. Für alle deutschen Fans, die sich an ausländischen Fußballernamen stören hier ein kleiner Auszug aus der Schalker Mannschaftsaufstellung von damals: Emil Czerwinski, Fritz Szepan, Otto Tibulski und Ernst Kuzorra!
Alles schon mal da gewesen!
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